Interview mit


MCR:  Zunächst erst einmal vielen Dank, dass ich dieses Interview mit Euch machen kann. Euer Debüt-Album „A Storm To Come“ feiert in diesem Jahr zehnjähriges Jubiläum. Es war damals sicherlich eine Sensation, knallharte Metal Musik ohne Instrumente (abgesehen von einem Schlagzeug). Vergleichbar wohl nur noch mit „Plays Metallica By Four Cellos“ von Apocalyptica (zehn Jahre zuvor!). Wie seid Ihr auf diese Idee gekommen?

Van Canto:  Unglaublich dass das jetzt schon zehn Jahre sind – da kann man sich an die Ursprünge ja kaum erinnern – Ich glaub Stef als großer Blind Guardian Fan war auf Live-Konzerten immer ein wenig enttäuscht dass ein Song von den Jungs nur 2 – 3 und nicht 38 Refrains hatte, da er die so gerne mitgesungen hat. Eines Abends ist er also recht empört nach Hause gekommen und hat sich überlegt eine Band zu gründen, in der einfach alle Fans immer mitsingen sollen – einen nicht enden wollenden Refrain, quasi. Da aber auch er sich im Songwriting konventionellen Gepflogenheiten des Arrangierens unterwerfen musste, hat er schließlich wütend mit dem Fuß auf den Boden gestampft und in die Welt gebrüllt, „Dann sollen sie halt die Gitarren mitsingen“ – Die Metallgötter haben‘s gehört – und der Rest ist Geschichte.

MCR: A Capella Musik ist ja in der populären Musik nichts Neues, ich denke da u.a. an die Comedian Harmonists, The Flying Pickets oder auch Die Prinzen. Aber in einer Musikrichtung die von Gitarren geprägt ist, war das doch sehr ungewöhnlich. Wie wurde Euer Musikstil von der Metal-Gemeinde aufgenommen?

Van Canto: Ach, aufgenommen, abgewiesen, vergöttert, verurteilt… das volle Programm. Aber ich denke 10 Jahre A Capella Metal sprechen vor allem für „wohlwollend aufgenommen“.

MCR: Ihr habt schon immer versucht verschiedene Kunstformen miteinander zu verbinden. Ich denke an das Metal-Musical „Peer Returns“, das leider nicht vom Thalia-Theater aufgeführt wurde. „Voices Of Fire“ ist ebenfalls ein Musical, aber dieses Mal a capella. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Phantasy-Autor Christoph Hardebusch?

Van Canto:  Das stimmt. 2010 haben wir uns das erste Mal in die Musicalrichtung gewagt und mit „Peer Returns“ die Musik von Edvard Grieg auf den Kopf gestellt. Das hat uns unheimlich gut gefallen – mussten aber feststellen, dass wir offenbar nicht nur im Metal-Sektor, sondern auch im klassischen Musicalbereich polarisieren. Die Zusammenarbeit mit Christoph war ein neuer Versuch unseren Sound mit einem etwas Genre verwandteren Thema zu kombinieren. Wir fanden wir schreiben eigentlich den idealen Soundtrack zu Christophs Geschichten und Christoph fand dass wir endlich mal gute Geschichten erzählen sollten – heraus kam „Voice of Fire“!

MCR: Jetzt die berühmte Huhn-Ei-Frage, was war zuerst da? Das Buch oder die Musik?

Van Canto:  Das ist mitunter der schönste Teil dieser Produktion, dass beide Werke miteinander gewachsen sind. Sly, der alte Barde hat sich zu Beginn eine Welt erdacht, die für Christophs Roman später die Rahmenhandlung werden sollte. Die Geschichte hat dann Christoph ersonnen und Stef und ich haben in enger Absprache mit ihm die Songs zu den Eckpunkten der Story geschrieben. Der rege Austausch hat dann oft bei allen Beteiligten für viele „Aha“-Momente gesorgt und mit Inspiration gefüttert.

MCR:  Ich stelle es mir recht aufwändig vor, solch ein umfangreiches Projekt fertig zu stellen. Wie ist es Euch gelungen, die Produktion von Album, Mediabook, Roman und Illustrationen (vom südamerikanischen Phantasy-Künstler Osmar Arroyo) unter einen Hut zu bringen.

Van Canto: Vom reinen Management her hat Stef glaub ich in den letzten 6 Monaten das Schlafen einfach sein lassen. Insgesamt stand diese Produktion aber sehr im Licht eines gemeinsamen Unterfangens – jeder hat sich einfach mit viel Elan auf das gestürzt was er am besten kann – Lieder oder Texte schreiben, an Illustrationen arbeiten – Geschichten erzählen, usw… Es war sicherlich deutlich aufwändiger als ein herkömmliches Van Canto Album, allerdings hatte es auch deutlich mehr Rückenwind als andere Alben zuvor – allein die verschiedenen Chöre, die auf dem Album zu finden sind, haben unsere Arbeit sehr beflügelt.-

MCR: Ihr habt bei der Produktion mit namhaften Künstlern zusammengearbeitet, u.a. mit den London Metro Voices, die u.a. in den Soundtracks zu “Herr der Ringe” oder auch “Star Wars” zu hören waren. Ähnlich wie bei einem Orchester müssen doch für eine so einen großartigen Chor spezielle Arrangements ausgearbeitet bzw. Partituren erstellt werden. Für Metal-Musiker ist das eher eine ungewöhnliche Aufgabe. Wie habt Ihr Euch dieser Herausforderung gestellt.

Van Canto: Ich glaube mit Leidenschaft. Vielleicht würde man bei uns in der Handtasche jetzt eher ’ne Flasche Bier als eine klassische Partitur vermuten, aber ganz so fremd ist uns das gar nicht. Stef und ich haben in der Vergangenheit schon oft mit Chören zusammengearbeitet und eben auch schon entsprechend arrangiert. Im konkreten Fall der Metro Voices sind wir allerdings selbst für unsere Verhältnisse sehr akribisch vorgegangen, alleine weil die Zeit hier Geld ist und die Metro Voice auch sehr klare Vorgaben machen wie sie sich aufnehmen lassen. Im Endeffekt war es ein voller Erfolg und den Damen und Herren hat es auch sehr gut gefallen.

MCR: Einer meiner Lieblingsschauspieler hat die Rolle des Erzählers übernommen, John Rhys-Davis – bekannt als Zwerg Gimli aus der Herr-der-Ringe-Trilogie aber auch als Sallah in den Indiana-Jones-Filmen. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit so einem großartigen Schauspieler?

Van Canto: Als wirklich großartige Erfahrung. Es ist immer wieder schön zu sehen, dass hinter großartigen Künstlern auch wirklich großartige Menschen stehen. Und John mochte unser Projekt sehr. Als wir Johns Stimme unsere Story haben sprechen hören, hatten wir zum ersten Mal Bedenken, dass wir vielleicht doch hätten Gitarren verwenden sollen um nicht völlig windig zu klingen :) Aber Spaß beiseite, wir finden, dass er das Album wirklich toll abrundet. Es ging uns auch viel weniger um seinen Bezug zur Fantasy-Welt, als um einen bemerkenswerten Sprecher mit sonorer Stimme, von dem man sich wünscht, dass er jeden Abend als Märchenonkel am Bettrand sitzt und dem Kakao ’n ordentlichen Schuss Whisky beimischt.

MCR: An welche Episoden während der Produktion erinnert Ihr Euch besonders gern? Und was würdet Ihr am liebsten ganz schnell wieder vergessen?

Van Canto: Also Stef und ich haben jetzt ja musikalisch schon so einiges erleben dürfen, aber die Aufnahmen mit den Metro Voices werden sicher ein kleines Highlight bleiben. Auch die Session, in der wir den „Bardcall“ geschrieben haben dürfte in unsere Annalen eingehen – eine harmonische BDSM-Nummer, in der wir uns gegenseitig in die Akkord-Askese gezwungen haben um der Göttin der Eingängigkeit zu huldigen. Toll war auch Gerard, unser französischer Sternekoch, der inmitten unserer Drum-Session einfach mal alle nah am Nervenzusammenbruch befindliche Mucker und Produzenten aus dem Studio getrieben hat und uns inmitten einer riesigen Wiese an einem Abend im Hochsommer gezeigt hat, wer der wahre Künstler ist. Das war auf jeden Fall eine besondere Produktion…

MCR: Beim mehrfachen Hören von “Voices Of Fire” empfand ich die Songs als deutlich epischer angelegt. Und das nicht nur wegen der großartigen Chorusse. Hattet Ihr dieses Mal eine andere Herangehensweise an das Songwriting? Habt Ihr dabei bewusst dem Konzept des Albums Rechnung getragen?

Van Canto: Das Songwriting hat sich diesmal völlig anders gestaltet als sonst – zunächst haben sich Stef und ich wie mit 16 im Proberaum getroffen und gezockt was die Wampe hergab. Klampfe und Drums und ab geht’s. Wir wollten vor allem eine gewisse Frische erreichen und den Kopf völlig ausschalten. Die enge Zusammenarbeit mit Christoph hat die Songs dann auf eine ganz neue Ebene gehoben und sehr viel Spaß gemacht. Ecksteine der Story galt es musikalisch umzusetzen, die Arrangements waren aufgrund der Stimmvielfalt komplexer und gerade das harmonische Zusammenspiel von Inga und Sly waren ein wichtiger roter Faden, der das ganze Album zusammenhält. Die Lyrics haben wir natürlich mit Christoph abgestimmt, der sich wiederum von der Stimmung hat inspirieren lassen, die wir den einzelnen Kapiteln musikalisch verliehen haben – das war ein großartiges Teamwork!

MCR: Während der Produktion des Albums hat Euch Ike verlassen. Die tiefe “Dandan”-Stimme ist jetzt durch Jan Moritz (Stimmgewalt) besetzt. Wie macht sich der Wechsel am Mikro auf dem Album bemerkbar?

Van Canto: Zunächst einmal freut sich Ross über einen Gleichgesinnten, der in Haarangelegenheiten ähnlich bedürfnislos ist, wie er selbst. Ansonsten ist mit Ike natürlich nicht nur ein einzigartiger Sänger, sondern auch wunderbarer Freund gegangen, den Stef und ich schon aus unserer Schulzeit kennen. Aber Veränderung bedeutet auch immer Chancen für frischen Wind und den weiß Jan ordentlich zu machen. Wir haben ihn durch die Zusammenarbeit mit Stimmgewalt für unsere Wacken-Show kennen gelernt und zack – verhaftet.

MCR: Zum Thema Lineup-Änderungen. In den vergangenen Jahren war die Besetzung von Van Canto ja relativ stabil. Bei anderen Bands gab es durchaus mehr Wechsel. Was ist es, das Euch zu zusammenschweißt?

Van Canto: Definitiv die Liebe zu dem was wir da machen. Wir sind tatsächlich ein Haufen völlig unterschiedlicher Charaktere und ein gemeinsamer Camping-Urlaub würde der lokalen Boulevardpresse vermutlich eine dreifache Auflage bescheren, doch sobald wir auf der Bühne stehen fügen sich unsere verschiedenen Stärken zu einer Einheit, die einfach passt. Da brennt dann die Luft und man befindet sich im reinsten Funkenflug. Jeder weiß um seinen Beitrag und wir freuen uns auch die jeweils anderen erleben zu dürfen. Es macht halt viel Spaß und ich glaube das merkt man uns auch an.

MCR:  Ihr geht jetzt mit “Voices Of Fire” auf Europa-Tournee. Wie werdet Ihr den epischen Album-Sound live auf die Bühne bringen?

Van Canto: Zunächst einmal freuen wir uns dass wir endlich die Studio-Hallen gegen Live-Venues eintauschen können! Und die Fans dürfen sich freuen, dieses Mal haben wir sogar einen Tag geprobt! Tatsächlich haben wir ein paar Überraschungen im Gepäck und sind sehr gespannt wie die Van Cantians unser Album live aufnehmen. Ein paar ältere Sachen wird’s auch geben, einfach Songs, die wir lange nicht mehr gespielt haben – aber da soll sich bitte jeder selbst ein Bild von machen und zuhauf zu unseren Konzerten kommen.

MCR: Das Album ist ein Höhepunkt in Eurer Karriere und schwer zu toppen. Welchen neuen Herausforderungen wollt Ihr ich in der Zukunft stellen?

Van Canto: Ach, irgendwann, wenn keiner mehr damit rechnet, schwingen wir uns vielleicht doch nochmal echte Instrumente um den Hals und ziehen eine Schneise der Verwüstung durchs Land unserer Kritiker. Und dazu singen wir dann nicht lauthals „momomom“ sondern „mimimi“. Keine Ahnung – diese Band überrascht vor allem uns selbst – auch wenn man uns sehr gerne per se ein Konzept unterstellen möchte – wenn eines existiert, dann dass wir genau ein solches nicht verfolgen. Wir haben vor Van Canto alle eigene Metalbands gehabt, die keinen interessiert haben – jetzt wo wir auf einmal die Gitarren singen, stehen wir im Fokus einer Debatte was man im Metal darf und was nicht. Uns ist das eine fast so egal wie wenn wir auf der Bühne stehen – wir freuen uns mit denen, die unsere Musik und ihren Moment mit uns feiern, wir feiern mit Ihnen genau dasselbe.

MCR: Abschließend möchte ich mich noch einmal ganz herzlich für dieses Interview bedanken. Ich freue mich schon auf die nächsten (mindestens) zehn Jahre mit Van Canto!

Van Canto: Kannste haben! Tausend Dank!


Interview geführt von Rainer Kerber

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Video:

"The Bardcall"


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