MALPRACTICE - Turning Tides

 

Die spinnen, die Finnen. Da ist man darauf geeicht, daß aus dem Land am Polarkreis dunkler, böser Black Metal kommt. Oder symphonischer Power Metal. Und dann stellen sich einem plötzlich Malpractice in den Weg und schrauben sich mit einem Prog Metal vom Schlage Dream Theater, Threshold oder Queensryche in die Ohren. Okay, so ganz ohne Power Metal geht es bei der seit 1996 aktiven Band um Gründungsmitglied und Songwriter Joonas Koto nicht ab und hin und wieder klingen die Fünf sogar ein wenig thrashig.

All dies verspricht eine hochexplosive Mischung und tatsächlich bringen Koto (g), Toni Paananen (d), Jonas Mäki (b), Markus Vanhala (g) und Sänger Aleksi Parviainen es fertig, aus all diesen Ingredienzen einen süffigen Cocktail zu mixen.

Der viertelstündige Titeltrack steht im Mittelpunkt dieses Werkes und nimmt somit gut ein Drittel der gesamten Album Spielzeit von 44 Minuten ein. Nun besteht bei Songs in diesem XXXL Format latent die Gefahr, daß sich die Musiker in ausufernden Instrumentalpassagen verlieren und sich gegenseitig mit ihrem Gefrickel anstacheln. "Turning Tide" hingegen glänzt mit verhältnismäßig kurzen Instrumentalparts, die stets die Aufmerksamkeit des Hörers aufrecht erhalten. Langeweile kommt dabei zu keiner Zeit auf.

Doch auch die Tracks davor wissen zu überzeugen, ja teilweise gar zu begeistern. Gerade "Best Kept Secret" und "Weight Of The World" weisen zwar die ein oder andere progressive Struktur auf, lassen sich aber dennoch gut als Melodic oder Power Metal verkaufen.

"Irony Tower" groovet zunächst schleppend dahin, bietet einige Schlenker und hakt sich so nachhaltig im Gedächtnis ein. Da meint man manchmal sogar Megadeth rauszuhören. Genial.

Gleiches gilt für das treibende "State Within A State", in dem die Finnen erneut ihre Thrash Muskeln spielen lassen. Auch diese Nummer wird eine lange Halbwertzeit haben. Das ist einfach auf den Punkt gebrachte Mucke mit Memory Effekt.

Hintenraus frickeln sich die Musiker im Instrumental "Symphony Of Urban Discomfort" schon die ein oder andere Finger - und Handgelenk Übung zusammen, zeigen in diesen drei Minuten aber eben auch, daß sie ihr Handwerk verstehen.

"Out" als letztes Stück der Platte läßt nochmal die Schwarte krachen. Ein gelungener Abschluss für ein Album, welches man mehrere Male hören muß, um es in seiner ganzen Komplexität zu begreifen.

Dream Theater meets Annihilator meets Stratovarius - was sehr ungewöhnlich klingt, funktioniert insgesamt sehr überzeugend. In der Bewertung schwanke ich zwischen acht und neun Punkten. Weil die ungewöhnliche Kombination aber wirklich gut gelingt und sich als alles andere als ein Kunstfehler (Malpractice) entpuppt, entscheide ich mich für die bessere Wertung. 

 

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